Werden sie nicht kunstvoll eingesetzt, sondern achtlos in einen Text eingeworfen, verkommen Adjektive zu nutzlosem Füllmaterial.
Vor langer Zeit in der Primarschule in Magden ermunterte uns der Herr Lehrer Stucker, unsere Aufsätze mit möglichst vielen Adjektiven auszuschmücken. Das Resultat war vorhersehbar: blumige bis schwülstige Beschreibungen von rückblickend wohl eher belanglosen Geschehnissen. Wenn mich meine Erinnerung nicht täuscht, habe ich mich dieser Aufforderung bereits damals – wenn auch unbewusst – entzogen. Meine Aufsätze blieben meist weit unter der gewünschten Länge und ich musste mir jedes Mal ein schlechtes Gewissen machen, wollte ich doch die Erwartungen erfüllen, den Anforderungen gerecht werden. Nie kam es mir in den Sinn, dass die Lehrer*innen vielleicht sogar erleichtert gewesen sein könnten, weil sie nicht zwanzig epische Werke lesen und korrigieren mussten.
Erst Jahre später warnten uns die Dozent*innen in Schreibwerkstätten vor Adjektiven. Sie seien oft einfach Füllmaterial, sagten sie, das einen Text unnötig aufblase und wenig zur Aussagekraft, also zum eigentlichen Inhalt, beitrage. Mit solchen Adjektiven verhält es sich also so ähnlich, wie wenn ich mich durch ein überdimensioniertes Paket mit politisch korrekten Maisstärkechips oder Knäueln von alten Zeitungen wühlen muss, um an ein paar Schalen Katzenfutter zu gelangen. Danach muss ich nicht nur den Karton, sondern auch sämtliches Polstermaterial entsorgen.
Weil ich Sprache liebe und meistens einen achtsamen Umgang mit ihr pflege, war ich jahrelang Redaktorin voller Leidenschaft. Wie heisst es so schön: Einer muss immer leiden, entweder die Leserin oder der Redaktor. Und da ich sehr gerne Verantwortung übernehme (siehe oben), nahm ich mir dieses Motto zu Herzen. Mit meiner scharfen redaktionellen Machete kämpfte ich mich durch Dickichte von Schachtelsätzen, Dschungel von Substantivierungen und metzelte unnütze oder lästige Adjektive lustvoll nieder. Entweder aus Platzgründen (Die beste Ausrede!) oder einfach so, weil sie mich nervten. So habe ich nach mehr als 20 Jahren in der Unternehmenskommunikation sicher abertausende von Adjektiven auf dem Gewissen – und einen Ruf als gnadenlose Redaktorin.