Überall im Internet hinterlassen wir unsere Spuren, das ist nichts Neues. Und wir sind uns auch mehr oder weniger bewusst, dass verschiedene Unternehmen unsere persönlichen Daten zu Marketingzwecken nutzen. Manchmal aber gehen sie zu weit.
Jeden Tag, wenn ich auf Facebook etwas poste, auf Beiträge reagiere oder diese kommentiere, gebe ich freiwillig persönliche Daten von mir preis. Das eröffnet den Marketingabteilungen von Unternehmen viele Möglichkeiten, um mich gezielt anzusprechen. Um mich davon zu überzeugen, dass ich unbedingt ihr Produkt kaufen oder ihre Dienstleistung in Anspruch nehmen muss. Ich mache mir da keine Illusionen und ich habe mich inzwischen daran gewöhnt. Schliesslich erlauben mir Facebook und Co., mit Verwandten und Bekannten in aller Welt in Kontakt zu bleiben. Das ist mir viel wert.
Aber irgendwo hört es auf und es gibt Grenzen, die in letzter Zeit immer wieder wahrnehmbar überschritten werden. So war vor kurzem in der Republik zu lesen, wie in den Internet-Ausgaben von renommierten Tageszeitungen bezahlte Inhalte so geschickt verpackt werden, dass weniger aufmerksame Leser*innen diese als seriöse, journalistische Beiträge wahrnehmen. Das ist grenzwertig, denn wie uns Kommunikationsfachleuten und Journalist*innen ständig eingeimpft wurde, müssen redaktionelle und kommerzielle Beiträge für die Leserschaft klar erkennbar getrennt werden.
Trotzdem greifen findige PR-Profis mit zweifelhaften, wenn auch mit noch legalen Methoden, immer wieder in die politische Meinungsbildung ein.
Wie weit die politische Beeinflussung gehen kann, zeigte Brittany Kaiser, ehemalige Projektleiterin bei Cambridge Analytica, neulich in einem Interview am Schweizer Fernsehen auf. Sie erklärte, wie Cambridge Analytica die Brexit-Abstimmung und die Präsidentschaftswahlen in den USA im Jahr 2016 dank persönlichen Daten aus Facebook entscheidend beeinflussen konnte.
Psychographic Modelling oder Targeting heisst die Zauberformel. Wie das Internet auch, hat diese Technik ihren Ursprung im Militär, genauer in der psychologischen Kriegsführung. Anstatt Waffengewalt setzt man Kommunikation so ein, dass Menschen dazu gebracht werden, etwas in seinem Sinne zu tun – oder eben nicht.
Mit anderen Worten: Menschen werden mit geschickter Kommunikation gezielt manipuliert.
Hierfür werden die persönlichen Daten, die wir alle auf dem Internet und in Social Media freizügig hinterlassen mit ausgeklügelten psychologischen Modellen kombiniert, zum Beispiel The big five. Basierend darauf werden anschliessend verschiedene Persönlichkeitstypen erstellt, die man schliesslich mit präzis auf sie zugeschnittenen Botschaften und Bildern anspricht.
Auch das ist nichts Neues. Solche Methoden werden heutzutage überall im Marketing, in der Kommunikation wie auch bei Wahl- oder Abstimmungskampagnen eingesetzt.
Und eigentlich ist es die hohe Kunst in der Kommunikation, sein Publikum mit gezielten Botschaften, einer passenden Wortwahl sowie relevanten Geschichten emotional abzuholen.
Was aber im letzten Wahlkampf in den USA gemacht wurde, ist ethisch nicht vertretbar. Menschen, von denen man aufgrund ihres errechneten Profils wusste, dass sie weniger weltoffen und eher ängstlich sind, wurden gezielt mit furchteinflössenden Nachrichten und Bildern verunsichert. Man ging davon aus, dass diese Menschen aufgrund ihrer Persönlichkeitsstruktur für solche Botschaften sehr empfänglich sind und diese dann auch bereitwillig weiterverbreiten würden.
Man manipulierte also anhand von Daten aus Facebook verletzliche Persönlichkeiten gezielt mit Kommunikation, um sie dazu zu bringen, entweder Donald Trump zu wählen, oder überhaupt nicht mehr wählen zu gehen, weil sie jegliches Vertrauen in die Regierung verloren. Und hier wurde für Brittany Kaiser, wie auch für mich, eine rote Linie überschritten:
Mit Kommunikation darf man die psychische oder die physische Sicherheit von Menschen nicht für seinen eigenen Vorteil aufs Spiel setzen. Die menschliche Integrität ist unantastbar.
Mehr zum Thema und wie viele Daten wir überhaupt im Internet hinterlassen respektive was damit so geschieht im interessanten Interview in der Sternstunde Philosophie vom 26. Januar 2020:
Brittany Kaiser: Rezepte gegen die drohende Daten-Diktatur
Wie man mit Fake News, psychologischen Tricks und Facebook-Daten freie Wahlen gewinnt, weiss Brittany Kaiser. Denn sie arbeitete als Führungskraft bei der Propaganda-Firma Cambridge Analytica, auch für Donald Trump und die Brexit-Initiative. Sie erklärt, wie Datentechniken die Demokratie bedrohen.